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Miss Germany 2023: Apameh Schönauer entlarvt Sexismus im Netz


Kolumnistin rechnet ab
Miss Hassobjekt

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

28.02.2024Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Apameh Schönauer ist "Miss Germany" 2024: Doch nicht alle sind mit der Siegerin einverstanden. (Quelle: Glomex)

Die Wahl der neuen Miss Germany hat viele Reaktionen hervorgerufen. Kolumnistin Nicole Diekmann verrät, welcher Teil der Gesellschaft seine hässlichste Seite gezeigt hat.

Apameh Schönauer ist 39 Jahre alt. Als sie sechs Jahre alt war, floh ihre Mutter mit ihr aus dem Iran nach Deutschland. Apameh Schönauer ist Architektin, setzt sich für Frauenrechte ein und gründete das Netzwerk Shirzan für unterdrückte Frauen.

Apameh Schönauer ist eine Frau. Allein das reicht schon aus, um sich im Netz einiges einzufangen.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

Fangen wir bei Ihnen, liebe Leser, an. Wenn Sie eine Frau sind, werden Sie es kennen. Wenn Sie ein Mann sind, stellen Sie sich Folgendes vor:

Sie sind eine Frau unter 30 und beteiligen sich an einer Debatte im Netz, Thema völlig egal? Sieht schlecht aus für Sie. Sie sind zu jung beziehungsweise ahnungslos, um sich zu irgendetwas zu äußern. Das wird Ihnen ziemlich schnell jemand dort erklären. In der Regel ein Mann. In der Regel ein Mann, der anderen sonst selten etwas erklären kann.

Sie sind eine Frau in den Dreißigern? Dann geht es Ihnen gar nicht um die Sache. Sie äußern sich nur, weil Sie gerade menstruieren oder sexuell nicht erfüllt sind oder aber hässlich (das eine bedingt das andere). Auch das wird Ihnen sehr bald jemand erwidern; auch bei ihm wird es sich um ein Mitglied des Internationalen Clubs der Enttäuschten handeln.

Sie sind eine Frau über 40? Das sieht man Ihnen an, oder mit anderen Worten: Sie sind ab jetzt naturgemäß hässlich, deshalb sexuell nicht erfüllt, und deshalb melden Sie sich zu Wort. Inhaltlich haben Sie keine Ahnung.

Sie sind eine Frau über 50? Dann sind Sie ab jetzt naturgemäß sehr hässlich, mit dem Menstruieren ist es auch vorbei, also sind Sie sexuell … Es ist ein Muster, und es ist ein dermaßen plumpes, dass Sie es verstanden haben dürften. Selbst, wenn Sie nur eine Frau sind. So wie ich. Oder eben wie Apameh Schönauer.

Die Stunde der Irrlichter

Die allerdings hat ja außerdem einen Migrationshintergrund. Dann brauchen Sie sich gar nicht zu äußern, dann kommen die Beleidigungen ganz von allein und sind noch krasser. Dann schlägt die Stunde der Irrlichter. Die dank Social Media nicht mehr nur allein, mit Ende 30 und im fleckigen Unterhemd bei Pom-Bären (Kartoffelchips in Bärchenform) und River Cola im Kinderzimmer bei Mama unterm Dach hocken und sich einsam fühlen. Sondern die nun allein, mit Ende 30 und im fleckigen Unterhemd bei Pom-Bären und River Cola im Kinderzimmer bei Mama unterm Dach hocken und glauben, sie würden einer repräsentativen Gruppe angehören.

Wenn die dann dahinterkommen, dass eine Frau wie Apameh Schönauer Miss Germany geworden ist, tja, dann gehen bei den Digital-Helden unterm Dach aber alle Lampen an. Hell wird’s dann allerdings nicht. Sondern zappenduster. Ich zitiere hier jetzt kein einziges dieser Postings, von denen X und andere Plattformen geflutet werden. Sie alle können sich den Inhalt denken, man liest es oft genug, und das ist schlimm genug. Man muss ihn nicht auch noch verbreiten.

Projektionsfläche für arme Willis

Miss Germany. Früher waren das Frauen, die als Projektionsfläche für solch arme Willis taugten, die über das oben skizzierte Frauenbild verfügen. Miss Germany, das stand für Frauen, die sich vielem unterwarfen. Wie dem gängigen Schönheitsideal und Geschlechterklischee. Und dem Wunsch, Männern zu gefallen. Egal, welchen. Das waren Frauen, die niemanden anstrengten, bis auf sich selbst.

Früher war zwar nicht alles besser. Die armen Willis aber fühlten sich besser.

Tja, und dann hat Miss Germany das Konzept modernisiert. Zumindest ein bisschen; dazu gleich noch. Plötzlich steht da oben auf der Bühne eine Frau wie Apameh Schönauer. Erfolgreich. Selbstbewusst, unabhängig, engagiert. Je nach Perspektive: interessant bis unerreichbar. Und dann auch noch wild entschlossen, andere Frauen auch unerreichbar zu machen: Sie wolle sich "mit der Sichtbarkeit und Reichweite von Miss Germany für Vielfalt einsetzen, starke Frauen in allen Lebensbereichen unterstützen und die unerschütterliche Stärke feiern, die in jedem von uns steckt".

Weit, aber nicht weit genug

Dass Frauen wie Apameh Schönauer nun die Schärpe tragen (immerhin die Krone wurde abgeschafft), zeigt, wie weit wir inzwischen sind. Und, wie abgehängt die gut vernetzten Männer im Kinderzimmer bei Mama. Aber auch, wie weit wir noch entfernt sind von der eigentlichen Debatte: Wie zeitgemäß sind Miss-Wahlen eigentlich noch? Vielleicht führen wir die ja nächstes Jahr.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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